Zum Tod von Kobe Bryant Der Einzigartige
Los Angeles · Sport-Superstar Kobe Bryant ist am Sonntagabend bei einem Hubschrauberunfall gestorben; er wurde nur 41 Jahre alt. Nachruf auf einen Basketball-Besessenen, der Michael Jordan nacheifern wollte – und viel mehr schaffte.
27.01.2020, 07:12 Uhr
Beinahe vier Jahre ist es her, dass Kobe Bryant sein ikonisches Trikot zum letzten Mal auswrang. Das letzte Spiel war typisch: ganz großes Spektakel. 60 Punkte holte sich Bryant, obwohl er 50 Würfe dafür brauchte. Die Sport-Welt, die in den 20 Jahren davor oft über das wurffreudige Wunderkind geflucht hatte, explodierte in Kopfschütteln, Gelächter, Applaus – und schließlich purer Ehrerbietung. Seit dem späten Sonntagabend unserer Zeit trauert die halbe Welt um den eigenwilligen Star. Er starb beim Absturz seines Privathelikopters nahe Los Angeles. Bryant wurde nur 41 Jahre alt. Er hinterlässt seine Frau und drei Töchter. Die vierte– Gianna (13)– kam mit ihrem Vater und sieben weiteren Menschen um. Die Basketballwelt weiß nicht, wohin mit ihrem Schmerz.
Als 17-Jähriger war Bryant direkt aus seiner Highschool in Philadelphia in die beste Liga der Welt gestürmt, frei nach dem Motto: Am College kann ein Kobe Bryant nichts mehr lernen. Den Männern der Liga, die sich dadurch beleidigt fühlten, zeigte es der Halbwüchsige mit der Afro-Mähne – indem er über sie hinwegsprang und den Ball zum Slam Dunk durch den Korb hämmerte.
Erst mit 37 musste er seine Passion aufgeben: Die Achillessehne, die Knie, die Schultern – alles schmerzte, jeden Tag, jeder Muskel, jede Sehne, und das bisschen, was von seinen Knorpeln noch übrig war.
Er ging als größter unter den Superstars der Lakers, größer als Shaquille O’Neal und Magic Johnson. Bryant war der populärste und erfolgreichste Basketballer jenseits des unantastbaren Michael Jordan. Dem hatte Bryant schon als Schüler nachgeeifert, jede noch so kleine Bewegung bis zum Erbrechen trainiert. Bryant war ebenso besessen und getrieben wie Jordan, und ein ebenso schlechter Verlierer. Aber er verlor auch ebenso selten.
Denn er war zu gleichen Teilen akribischer Arbeiter, gewiefter Stratege und Killer auf dem Court. Er fluchte und foulte, höhnte und provozierte, war ein Bluthund in der Defensive. Und in der Offensive blühte er erst richtig auf. Jeder Wurf war für ihn ein guter. Wenn er traf, drückte er im nächsten Angriff erneut ab. Und wenn er nicht traf, dann erst recht. Kein Spieler warf öfter daneben als er – satte 16.966 Fehlversuche sammelte er insgesamt, bei 13.733 Treffern. 55,3 Prozent seiner Würfe gingen daneben. Aber die meisten wichtigen traf er.
Denn da waren ja längst nicht nur die Spektakel mit überschaubarem sportlichen Wert wie sein 81-Punkte-Spiel 2006. Oder die Partie 2005, in der er nach drei Vierteln mehr Punkte erzielt hatte als die gesamte gegnerische Mannschaft (62:61). Oder die neun Spiele in Serie 2003 mit 40 oder mehr Punkten. Sein einziges Team, die L.A. Lakers, führte Bryant zu fünf Meisterschaften. Bis heute hält er diverse Team- und Liga-Rekorde. 18 Mal schaffte er es ins All-Star-Team, zwölf Mal in die Auswahl der besten Verteidiger. Insgesamt verbuchte er 39.283 Punkte in 57.278 Minuten, dazu unter anderem 7.346 Korbvorlagen.
Mit dem Erfolg wuchs sein Ruhm. Bryant wurde zur Marke, zum Popstar. Zu einem der ersten des Internet-Zeitalters überhaupt. Bei der offiziellen Trauerfeier für Michael Jackson hielt er eine Rede. Bryants gelb-violettes Muskelshirt verkaufte sich millionenfach. In den USA sowieso, aber auch in Deutschland und Asien, Südamerika, Osteuropa. Noch heute ist es auf jedem Basar dieser Welt zu haben. Die halbe Welt kannte ihn unter seinem Vornamen. Kobe (gesprochen: „Kobi“), wie das japanische Edel-Steak. Er selbst nannte sich „Black Mamba“, nach der Giftschlange, oder, im gesetzten Alter, „Vino“, weil sein Spiel gereift sei wie guter Wein.
2003 ereignete sich eine Zäsur: Eine 19-jährige Hotelangestellte aus Colorado zeigte Bryant wegen Vergewaltigung an. Zu einem Strafprozess kam es nicht, weil die Frau nicht gegen den mächtigen Verdächtigen aussagen wollte. Ein Zivilverfahren endete mit einem Vergleich. Bryant entschuldigte sich öffentlich, ohne eine Schuld einzugestehen: Er habe ihren Geschlechtsverkehr als einvernehmlich missverstanden. An die junge Frau floss zudem wohl eine unbekannte Summe Geld. Seiner Ehefrau Vanessa schenkte er einen vier Millionen Dollar teuren Diamantring als Entschuldigung. Eine Zeit lang erwähnten Bryants Kritiker den Fall zu jeder Gelegenheit. Irgendwann aber war es, als sei das verstörende Ereignis nie geschehen.
Nach dem Ende seiner Profi-Karriere widmete sich Bryant dem Sport auf andere Art: Neben seiner Autobiografie „Mamba Mentality“ schrieb er Essays und Gedichte. Für seinen animierten Kurzfilm „Dear Basketball“ gewann er 2018 einen Oscar; zuletzt versuchte er sich als Verleger von Kinder- und Jugendbüchern. Barack Obama schrieb: „Kobe war eine Legende auf dem Platz; und er hatte gerade erst begonnen, was ein ebenso bedeutsamer zweiter Akt geworden wäre.“
Zuletzt hatte sich Bryant als Familienmensch und entspannter Spaßvogel präsentiert. Die teils erbitterten sportlichen Fehden etwa mit seinem Ex-Mitspieler Shaquille O’Neal waren längst befriedet. Neulich erst brüllte er als Zuschauer dem Jung-Star Luka Doncic in dessen Heimatsprache Slowenisch nicht jugendfreie Flüche zu, als Zeichen des Respekts. Erst am Sonntagmorgen war Bryant erneut in den Schlagzeilen: Mit LeBron James hatte ein anderer Spieler seinen Punkterekord geknackt. Bryant gratulierte staatsmännisch, ja verneigte sich bei Twitter vor James – keine 24 Stunden später war er tot.
Bryant konnte ein Sausack sein, unerträglich arrogant, egoistisch bis hin zur Untrainierbarkeit. Aber am härtesten war er stets zu sich selbst. Als 2013 seine Achillessehne riss, humpelte er zunächst aus Prinzip zurück aufs Feld, um die ihm zustehenden zwei Freiwürfe zu nehmen. Mit Tränen in den Augen traf er beide. Seine Lakers gewannen das wichtige Spiel.
Bryant nahm alles persönlich. Jedes Training ging er an, als stehe Olympia-Gold auf dem Spiel (das er bei zwei Versuchen auch zweimal gewann). Auf der großen Bühne funktionierte die Mensch-Maschine noch besser. Für den Sport war er Superheld und Superschurke zugleich. Bryant genoss diese Doppelrolle – und entwickelte sein Spiel stetig weiter. Nach eigener Aussage studierte der Mann, der keine große Geste scheute, dafür „die Geduld, das Timing und die Angriffswinkel der Weißen Haie vor der Küste Südafrikas“. Vom Student des Spiels wurde er zum Meister und Lehrer – und blieb doch ganz er selbst.
Dieses Feuer, dieser Fokus, dieser Drive, diese Kompromisslosigkeit ist sein Vermächtnis. Dirk Nowitzki nannte Kobe Bryant „den Michael Jordan unserer Generation“. Tatsächlich war er sogar noch mehr.
Hier geht es zur Bilderstrecke: Das Leben des Kobe Bryant
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